Genetische Vielfalt ist die Grundlage des Lebens und eine entscheidende Voraussetzung für das Überleben von Arten. Ohne genetische Diversität verlieren Populationen ihre Fähigkeit, sich an Veränderungen in ihrer Umgebung anzupassen, was sie langfristig anfällig für Krankheiten, Umweltstress und den Verlust von Lebensräumen macht. Diese Vielfalt spiegelt die unterschiedlichen genetischen Merkmale wider, die innerhalb einer Art existieren, und ermöglicht es Individuen, auf Herausforderungen wie den Klimawandel oder neue Krankheitserreger zu reagieren. In Zeiten zunehmender Umweltveränderungen, die sowohl durch natürliche, aber besonders durch menschliche Faktoren verursacht werden, wird die genetische Vielfalt vieler Arten jedoch bedroht. Diese Bedrohung ist insbesondere bei Tieren in fragmentierten oder isolierten Lebensräumen zu beobachten, wie beim Rotwild in Hessen und Nordrhein-Westfalen. Durch die zunehmende Fragmentierung ihres Lebensraums sind diese Populationen isoliert, was den genetischen Austausch behindert und das Risiko von Inzucht erhöht. Ein solcher Zustand kann zu einer genetischen Verarmung führen, bei der wichtige Genvarianten verloren gehen, was die Anpassungsfähigkeit der Populationen weiter schwächt.
Man kann nur schützen, was man kennt – dieser Gedanke trifft insbesondere auf die genetische Vielfalt zu. Um den Erhalt von Arten zu sichern, ist es daher unerlässlich, ihre genetische Zusammensetzung und Struktur zu verstehen. Genetische Untersuchungen sind ein unverzichtbares Werkzeug, um zu beurteilen, wie stark eine Population von genetischer Verarmung betroffen ist und inwieweit Inzuchtprobleme das Überleben gefährden. Das Beispiel des Rotwildes in Hessen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen verdeutlicht, wie wichtig solche genetischen Analysen sind. Durch die Zerschneidung ihrer Lebensräume durch Straßen, Siedlungen und landwirtschaftliche Flächen sind die Populationen immer stärker isoliert, was den genetischen Austausch zwischen ihnen einschränkt. Ohne Eingriffe, die den Genfluss zwischen den Populationen wiederherstellen, könnte dies langfristig das Überleben dieser Populationen gefährden. Um die genetische Vielfalt zu erhalten und langfristig zu fördern, müssen nicht nur die Ursachen für den Verlust der Vielfalt verstanden, sondern auch geeignete Maßnahmen ergriffen werden. Dazu gehören unter anderem die Benennung von Wildtierkorridoren, die den Genfluss zwischen isolierten Populationen fördern, sowie der Bau von Wildbrücken, die es Tieren ermöglichen, Straßen und andere Barrieren zu überqueren. Ebenso wichtig ist die regelmäßige Überwachung der genetischen Gesundheit einer Population durch genetische Untersuchungen. Nur so können frühzeitig genetische Verluste erkannt und entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Genetisches Monitoring sollte ein langfristiger Bestandteil des Schutzmanagements sein, um den Zustand der Populationen kontinuierlich zu überwachen und den Erfolg von Schutzmaßnahmen zu bewerten.
In Zukunft wird es entscheidend sein, dass die Bedeutung der genetischen Vielfalt in Schutzstrategien stärker berücksichtigt wird. Die genetische Vielfalt bildet die Grundlage für die Fähigkeit von Arten, sich an neue Umweltbedingungen anzupassen. Ohne diese Vielfalt ist das Überleben vieler Arten gefährdet. Daher sollten genetische Daten und Analysen eine zentrale Rolle in der Entwicklung von Schutzplänen spielen, um sicherzustellen, dass Populationen nicht nur kurzfristig überleben, sondern langfristig ihre Anpassungsfähigkeit bewahren können. Besonders in stark fragmentierten Lebensräumen, wie denen des Rotwildes, ist es entscheidend, dass geeignete Maßnahmen zur Förderung des genetischen Austauschs ergriffen werden. Die Förderung des Genflusses zwischen isolierten Populationen ist dabei eine der wichtigsten Maßnahmen, um die genetische Vielfalt zu sichern. Dies gilt nicht nur für das Rotwild, sondern auch für viele andere Tierarten weltweit, die in isolierten Lebensräumen leben und deren genetische Vielfalt durch menschliche Eingriffe bedroht ist. Nur durch den Erhalt der genetischen Vielfalt können wir sicherstellen, dass diese Arten in der Lage sind, den Herausforderungen einer sich wandelnden Welt zu begegnen und langfristig zu überleben. Genetische Vielfalt ist somit nicht nur ein wissenschaftliches Konzept, sondern eine lebenswichtige Grundlage für das Überleben von Arten. Sie sichert ihre Anpassungsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit und ermöglicht es ihnen, in einer sich ständig verändernden Welt zu bestehen. Der Schutz der genetischen Vielfalt ist von entscheidender Bedeutung – und dies erfordert genaue genetische Untersuchungen, um Populationen effektiv schützen zu können.
Dr. Julian Laumeier, Universität Gießen
Parallel zu dem Projekt RotWildes MV wird ein Genetikprojekt in Niedersachsen durchgeführt und im JJ 24/25 wurde ein entsprechendes Projekt in Holstein durchgeführt. All diese Analysen wurden, bzw. werden im gleichen Labor der Universität Gießen durchgeführt, so dass eine maximale Vergleichbarkeit und Bewertung des Grenzüberschreitenden Austauschs ermöglicht wird.